Erwachsenenadoption ist der falsche Weg

Erwachsenenadoption ist der falsche Weg

Fachkräfte in der Jugendhilfe und Pflegeeltern, die diese Homepage lesen, möchten wir sagen: Keine Pflegefamilie – und sei sie noch so liebevoll und wohlmeinend – kann die leibliche Familie ersetzen. Ziel aller Konzepte muss daher ein reflektierter Umgang mit der Beziehung des Kindes zu seiner leiblichen Familie sein.

Der Gesetzgeber sieht nicht vor, dass Kinder ihre Familie verlieren, wenn sie zu Pflegefamilien kommen. Es gibt nicht umsonst z. B. das Wunsch- und Wahlrecht leiblicher Eltern, die Pflicht zur Beratung oder das Recht auf Umgang. Auch ist nicht umsonst die Vorgabe, regelmäßig zu prüfen, ob Kinder zu ihren Eltern zurückkehren können. Inobhutnahmen sind auch nicht das erste Mittel der Wahl, sondern das allerletzte Mittel, es gibt ein breites Spektrum an Hilfemaßnahmen die milder sind und die daher Vorrang haben. Die gesetzlichen Vorgaben entsprechen einem Modell, das leibliche Eltern ergänzt und nicht ersetzt, wie es aber vorwiegend gehandhabt wird.

Eine Adoption im Anschluss einer Pflegschaft halten wir nicht für ein Zeichen erfolgreicher Integration des Kindes in der Pflegefamilie sondern als ein Zeichen dafür, dass die Fachkräfte im Jugendamt die leibliche Familie so massiv aus dem leben des Kindes ausgegrenzt haben, dass bis zum Erwachsenenleben des Kindes die Frage entsteht: es bestehen kaum noch Bande zur leiblichen Familie, wo kann das Kind im Anschluss an die Pflegschaft bleiben und wer unterstützt und begleitet es in der Zeit seiner Ausbildung?

Da das Jugendamt selbst die Bindung in die leibliche Familie nach Leibeskräften unterbindet bezieht es sich allein auf das von ihm selbst künstlich hergestellte „Familienverhältnis“: auf die Pflegefamilie.

Aber wozu Adoption? Das Kind hat ja dann immer noch eine leibliche Familie – auch im Erwachsenenalter. Warum nicht dem Kind helfen, dorthin Kontakte zu knüpfen? Warum nicht der Pflegefamilie und dem Kind Wege aufzeigen, wie es gemeinsam mit der ehemaligen Pflegefamilie weiter gehen kann und wie die leibliche Familie einbezogen werden kann?

Ein Kind ist kein Objekt, das man hier herausnehmen und da hinstecken und glauben kann, der ursprüngliche Lebensmittelpunkt würde zukünftig keine Rolle mehr spielen. Ein Kind ist ein Mensch mit Gefühlen und ein Individuum. Zu ihm gehören auch seine Wurzeln. Diese nicht anzuerkennen heißt, einen Teil des Kindes selbst nicht anzuerkennen.

Ist Ihnen bewusst, wie bereits die Sprache dazu verleitet, eine bestimmte Haltung zu entwickeln und diese auch aufs Pflegekind zu übertragen? Es sind zutiefst menschenverachtende Worte und Redewendungen, die im Pflegekinderwesen und auch im Kindschaftsrecht täglich benutzt werden, ohne zu überlegen, was sie anrichten.

Liebe Pflegemütter, angenommen Sie haben leibliche Kinder und man würde Sie als Bauchmama bezeichnen, weil Sie sie geboren haben? Genau genommen wäre jede Frau, die ein Kind auf die Welt bringt, demnach eine Bauchmama. Tatsächlich wird dieser Begriff aber verwendet, um eine Unterscheidung zwischen sich und „der anderen Mama“ zu treffen. Aber ist die „andere Mama“ wirklich nur der Leib, in dem das Kind bis zur Geburt war? Sind wir entsorgten Mütter tatsächlich nur Mutter-Leiber? Was sind denn dann die Väter in Unterscheidung zum Pflegevater – Samen-Spender? Ist es Zufall, wenn sich Pflegeeltern selbst als Herzeltern beschreiben, obwohl sie wissen müssen, dass auch die entsorgten Eltern ein Herz haben, das fühlt und dass sie ihr Kind aufrichtig lieben? Selbst wenn diese Unterscheidung nicht getroffen wird, ist sehr auffällig, dass Pflegeeltern überall nur „Eltern“ genannt werden, während man uns nicht mehr nur einfach Eltern nennt, sondern leibliche- oder Herkunftseltern.

Kämen Sie als Pflegeeltern oder Fachkräfte auf die Idee, das Zusammensein mit ihren Kindern „Umgang“ oder „Besuchskontakt“ zu nennen? Es ist doch offensichtlich, dass bereits diese kalten Begriffe dafür sorgen sollen, dass klar ist, dass es nicht um Bindung und Liebe gehen soll.

Ein weiteres Problem haben wir mit der Formulierung ein Kind „herausgeben“. Man kann Sachen herausgeben, aber nicht Kinder, sie sind Menschen und das hat sich unserer Meinung nach auch in der Formulierung widerzuspiegeln.

Wir möchten Sie bitten, Ihr Menschenbild und Ihr Vorgehen zu reflektieren vergegenwärtigen Sie sich bitte, dass sowohl die Kinder als auch ihre Eltern und alle anderen Verwandten der Kinder Menschen sind – genau wie Sie.

Denken Sie bitte immer daran: mit dem Pflegekind haben Sie nicht nur ein Kind bei sich aufgenommen, sondern gleichwohl einen Teil einer anderen Familie. Ein Kind so ganz ohne seine Familie aufzunehmen bedeutet, einen Teil des Kindes nie ganz zu akzeptieren. Und wenn Sie Ihr Pflegekind wirklich und aufrichtig lieben, gehört dazu, es ganz zu akzeptieren und zu akzeptieren, dass es Andere gibt, die Ihr Pflegekind von ganzem Herzen lieben.

In einer Familie akzeptieren Eltern, dass das Kind nicht allein nur sie liebhat und sich an sie wendet, sondern auch andere Verwandte eine wichtige Rolle im Leben des Kindes spielen. Würden Eltern das nicht akzeptieren, würde man sie zu Recht dafür kritisieren, ihr Kind zu massiv an sich zu binden. Bei Pflegekindern wird das offenbar anders gesehen. Sie sollen sich ganz allein nur den Pflegeeltern zugehörig fühlen und nur die Menschen außerdem lieben dürfen, die die Pflegeeltern ihnen „gestatten“. Wenn sie es wagen, unabhängig davon zum Beispiel ihren Papa und ihre Mama auch lieb zu haben, wird das überhaupt nicht gern gesehen. Die Pflegekinder müssen zumindest nach außen immer wieder beweisen, dass ihnen ihre leibliche Familie am Schnürsenkel vorbeiginge.

Wenn aber Kinder sich dazu verpflichtet fühlen, ihre Liebe allein auf ihnen vorgegebene Menschen zu fixieren und ihre Zuneigung zu verbergen oder gar zu unterdrücken, die sie für die leibliche Familie empfinden, wie soll dann Persönlichkeitsentwicklung, Identitätsfindung und Selbstwertgefühl aufkommen, wenn sie sich gegen diejenigen richten sollen, die zum Leben der Kinder gehören?

Und welches Verständnis von Familie, Liebe und Bindung soll das Pflegekind für seine eigene Zukunft als selbst Elternteil entwickeln? Du bist jederzeit austauschbar und wenn Du ein Kind bekommst, bist Du deswegen noch lange nicht Mutter oder Vater des Kindes?

Es gibt einen Aspekt, der wohl nicht oft überdacht wird. Fachkräfte im Jugendamt, Gutachter, Richter und Pflegeeltern haben Macht. Sie entscheiden darüber, ob ein Kind Pflegekind wird und wie es mit ihm weitergeht. Sie entscheiden auch darüber, wie es mit der leiblichen Familie weitergeht. Sollten sie leibliche Eltern als störend empfinden, gibt es genügend Möglichkeiten, sie so auszugrenzen, dass sie sich der „Übermacht“ beugen müssen, wenn sie den Kontakt zu ihrem Kind nicht vollkommen verlieren wollen.

Ist Ihnen diese Macht bewusst? Denken Sie manchmal darüber nach, was eine von Ihnen getroffene Entscheidung oder durchgeführte Maßnahme für die Seele der Betroffenen Menschen bedeutet?

Wir laden Sie auf eine kleine Gedankenreise ein: Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein Kind und das lieben Sie von ganzem Herzen. Es wird zu Unrecht von Ihnen getrennt und Sie gehen durch wirklich alle gerichtlichen Instanzen, schlucken eine Kröte nach der Anderen, müssen sich demütigen lassen, leiden unter der Trennung von Ihrem Kind und versuchen, aus jedem kleinen Moment, der Ihnen mit Ihrem Kind gelassen wird, das Beste zu machen was möglich ist. Jeden Tag hoffen Sie auf die Zeit, wo Ihr Kind erwachsen ist sich ein eigenes Bild machen kann und ohne Vorgaben von außen mit Ihnen zusammen sein kann und diese Hoffnung stirbt mit dem Moment, wo Ihr Kind von den Pflegeeltern, die es entfremdet haben, auch noch adoptiert wird. Sie hören jahrelang nichts von Ihrem Kind, vielleicht nie wieder, hoffen jeden Tag, dass es ihm gut geht, vermissen Ihr Kind. Spüren Sie diesem Gedanken nach und überlegen Sie für einen Moment, wie es Ihnen gehen würden, wenn Sie in dieser Situation wären. Wie würden Sie sich fühlen und was glauben Sie:  wie würde sich das inzwischen adoptierte Kind auf Dauer damit fühlen, wenn es annehmen muss, dass es die Adoptiveltern übelnehmen würden, wenn es den Kontakt zur leiblichen Familie suchen würde und es wagen würde, sich in beiden Familien zuhause zu fühlen?

Endstation Adoption

Endstation Adoption

Kurz vorm 18. Geburtstag unseres Kindes ließ uns unser Kind nach Ende des Umgangstermins durch den Sachbearbeiter des
Jugendamts einen Brief übergeben, in dem es mitteilt, es wolle den Namen der Pflegefamilie annehmen und sich daher adoptieren lassen. Man könnte ja, wenn es Schule und Beruf überhaupt zuließe, im Mailkontakt bleiben.

Der Sachbearbeiter des Jugendamtes erklärte, dass unsere Tochter Hilfe für junge Volljährige des Jugendamtes in Anspruch nehmen werde und was die Adoption anginge: wenn wir diese nicht befürworten würden, würden wir unser Kind ganz verlieren.

Zu diesem Zeitpunkt mussten wir davon ausgehen, dass unser Kind von Jugendamt und Pflegeeltern nichtinformiert wurde, was uns dreien angetan wurde. Es hieß, unsere Tochter habe unsere Homepage gelesen. Wir wissen nicht ob und wie gründlich unser Kind unsere Homepage tatsächlich gelesen hat. Würde unser Kind den Inhalt der Homepage kennen, hätte es Redebedarf. Dass unser Kind bis jetzt nicht mit uns darüber gesprochen hat lässt uns vermuten, dass es die Homepage nicht oder nur oberflächlich gelesen hat oder möglicherweise von Jugendamt und Pflegeeltern dazu bewegt worden sein könnte, möglichst gar nicht mit uns darüber zu sprechen.

In unserer Verzweiflung erklärten wir in einem langen Brief die Situation mit Verweis auf diese Homepage. Auch teilten wir unserem Kind mit, dass wir allergrößte Bedenken hinsichtlich einer Adoption haben und erklärten auch, warum wir Bedenken haben. Zudem baten wir um ein Gespräch, weil wir gemeinsam mit unserem Kind eine Lösung finden wollten, die es ihm ermöglicht, zu beiden Familien einen guten Kontakt zu pflegen.

Leider teilte unser Kind mit, dass es mit uns nicht reden wollte. Einige Monate später baten wir nochmals um ein Gespräch mit dem Ergebnis, dass gar nicht reagiert wurde.

Unser Kind und die ehemaligen Pflegeeltern reichten mit Erreichen der Volljährigkeit sofort einen Antrag auf Volladoption ein, sodass wir vom Familiengericht um Stellungnahme gebeten wurden, da bei der Volladoption eine Abwägung der Rechtsinteressen erfolgen muss (im Gegensatz zur schwachen Adoption, bei der die leiblichen Eltern ihre Rechte und Pflichten gegenüber ihrem erwachsenen Kind behalten und die Annehmenden lediglich als rechtliche Eltern hinzukommen).

In unserer Stellungnahme teilten wir mit, dass eine Adoption unser Recht auf Schutz der Familie nach GG Artikel 6 verletzt,

Es wurde von Anfang an von Jugendamt und Pflegeeltern bewusst aktiv an der Entfremdung unseres Kindes gearbeitet. Nie bestand auch nur das geringste Interesse, unserem Kind seine Familie zu lassen. Dass es Umgänge gab, lag nicht am Wunsch der Fallbeteiligten Fachleute oder der Pflegeeltern, die Familienbindung des Kindes zu erhalten, sondern daran, dass dieser gerichtlich verfügt wurde. Dass diese Umgänge nie zur Bindungspflege zwischen Eltern und Kind gedacht war, war klar daran zu merken, dass die Umgänge immer in unwirtlicher Umgebung und immer in Begleitung der Pflegemutter stattzufinden hatten. Allein die Anwesenheit der Pflegemutter während der Umgänge musste zwingend zu Loyalitätskonflikten führen. Das unpersönliche Spielzimmer im Jugendamt tat sein Übriges, um dafür zu sorgen, dass nie ein Gefühl von Vertrautheit und Wärme entstehen konnte.

Zudem war uns Eltern immer klar: passt dem Jugendamt oder den Pflegeeltern nicht, was wir in den Umgängen sagen, hätten sie die Umgänge einfach eingestellt und als Grund angegeben, die Eltern hätten sich nicht „wohl verhalten“. Demzufolge konnten wir unser Kind erst zu dem Zeitpunkt über die Hintergründe informieren, als wir erfuhren, dass es sich adoptieren lassen wolle. Wäre das nicht passiert, hätten wir darauf hoffen können, dass unser Kind mit seiner Familie in Kontakt bleibt oder kommt und eines Tages hätte man darüber sprechen können, was uns allen angetan wurde.

Ein natürliches Eltern-Kind-Verhältnis, wie es die Annehmenden behaupteten, sehen wir nicht als gegeben an. Wenn man ein wenige Wochen altes Stillkind vier Wochen lang von seinen Eltern trennt, muss es sich, um zu überleben, denen zuwenden, die es dann versorgen. Es entsteht dann ein Abhängigkeitsverhältnis. Alles weitere Handeln der Fallzuständigen im Jugendamt in Zusammenarbeit mit den Pflegeeltern folgte dem eindeutigen Ziel der möglichst endgültigen unumkehrbaren Entfremdung.

In der mündlichen Anhörung machten wir nochmals deutlich, dass eine Adoption schlimmstenfalls die endgültige Zerstörung unserer Familie bedeuten kann, und sollte unser Kind nie wieder mit uns in Kontakt treten, heißt das für uns, nie zu wissen wie es ihm geht, aber immer in Sorge zu sein, ob es ihm gut geht.

Wir gaben auch zu bedenken, dass eine Adoption eine so große Entscheidung ist, dass wir befürchten, dass ein junger, gerade eben erst erwachsen gewordener Mensch sie noch gar nicht ausreichend informiert und reflektiert treffen kann.

Wie bereits schriftlich mehrfach betont sicherten wir unserem Kind zu, dass es sich auch im Falle einer Adoption jederzeit an uns wenden kann und unsere Tür ihm immer offensteht und dass wir es lieben und als Eltern für unser Kind da sind, auch wenn es adoptiert wird.

Das Gericht gab dem Adoptionsantrag trotz unserer berechtigten Einwände statt. Unsere Einwände sah das Gericht als bloße Empfindungen an, die zwar bedauerlich aber nicht weiter zu berücksichtigen wären. Das Gericht ging sogar so weit zu philosophieren, ob unser Kind oder wann unser Kind jemals wieder Kontakt zu uns aufnehmen würde. Diese vom Gericht geäußerten Überlegungen machen auf uns den Eindruck, als wolle das Gericht unserer Tochter den Rat mitgeben, auch zukünftig den Kontakt zu uns komplett zu vermeiden, was unsere Befürchtung nochmals belegt, dass es offenkundig darum geht, unsere Bindung zu unserer Tochter möglichst für immer unwiederbringlich zu zerstören. Diese Vermutung liegt nahe, weil das Gericht ja gar nicht darüber zu befinden hatte, ob es Kontakt zwischen unserem Kind und seiner Familie hat oder haben wird, sondern nur, ob es einer Adoption stattgibt. Wenn es darüber schon sinniert, hätte das Gericht ja auch positive Impulse setzen können, wie ein Kontakt trotz Adoption möglich wäre, aber das Gericht überlegte nur, warum unser Kind wohl ehr keinen Kontakt zu uns aufnehmen würde und in den Sternen steh, ob es irgendwann zukünftig möglich wäre, miteinander in Kontakt zu kommen. Es geht sogar so weit zu behaupten, wir würden unser Kind zwingen wollen, Kontakt mit uns haben zu müssen. Dass Eltern, die ihr Kind lieben, selbstverständlich das Kind darum bitten, in Kontakt zu bleiben und sie sich Sorgen um ihr Kind machen, wird vom Gericht vollkommen ausgeblendet.

Das Gericht teilte uns nicht weniger mit als die Tatsache, dass eine Familie hinzunehmen hat, dass für sie Artikel 6 GG nicht auf sie angewendet wird, sobald Jugendamt und Pflegeeltern entscheiden, dass die Eltern aus dem Leben des Kindes zu verschwinden haben. Ist diese Entscheidung erst gefallen, entfallen für die Eltern und ihr Kind alle Rechte, die sonst für Kinder und ihre Familien gelten und da die Gerichte auf das Jugendamt hören, wird es für Eltern unmöglich, Gerechtigkeit für ihr Kind und für die gesamte leibliche Familie zu erwirken. Derart entsorgte Eltern haben folgendes hinzunehmen:
– Wunsch- und Wahlrecht entfällt (zuerst durfte unser Kind nicht zu den Großeltern, später
   wurden die Bereitschaftspfleger gegen unseren Willen Dauerpflegepersonen und dass sie
   später auch Vormund unseres Kindes wurden, wurde uns nicht einmal mitgeteilt, das erfuhren
   wir erst im Adoptionsverfahren.)
– Beteiligung bei der Hilfeplanung gibt es nicht, obwohl die vorgesehen ist.
– Beratung durchs Jugendamt gibt es nicht, obwohl es diese allen Eltern anbieten muss.
–  Entfremdung wurde durch gezielte Umgangsverhinderung und Erschwernis herbeigeführt,
   obwohl weder Jugendamt noch Pflegeeltern die Aufgabe haben, Kinder so zu entfremden, dass
   eine Rückführung unmöglich wird und später in eine Adoption gipfelt.
– Eine Teilhabe des Kindes am Leben seiner Familie und der Familie am Leben des Kindes gibt es
   nicht. Wenn es Umgang gibt, wird der so durchgeführt, dass er maximale Distanz zwischen Kind
   und Eltern schafft, sodass Bindungspflege unmöglich wird.  
– Rückführungsbemühungen gibt es nicht, obwohl regelmäßig eine Rückführungsoption geprüft
   werden muss.
– Die Würde des Menschen wird antastbar. Zum Beispiel wurden wir genötigt, dem Kind nicht
   mehr zu sagen, dass wir Papa und Mama sind, sondern wir wurden von der Pflegemutter zur
   „Bauchmama“ mit dazugehörigem Mann herabgewürdigt (die Bezeichnung „Bauchmama“
   wurde dem Kind von der Pflegemutter im Sprachlernalter beigebracht).
– Die Meinungsfreiheit wird in Frage gestellt, weil diese Homepage von einer Gutachterin und
   dem Jugendamt als problematisch bezeichnet wird.

Der Adoptionsbeschluss bedeutet für uns konkret, dass wir schlimmstenfalls bis an unser Lebensende nie wieder Teil des Lebens unseres Kindes sein können und vielleicht nie wissen, wie es ihm geht. Wir haben noch nie Weihnachten, Geburtstag oder sonstige Feste gemeinsam mit unserem Kind feiern können. Zukünftig werden wir wahrscheinlich weder an Abiturfeier, Hochzeit oder ähnlich wichtigen Momenten unseres Kindes teilnehmen können. Niemals hätten wir die Möglichkeit, unserem Kind mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Es ist uns wichtig zu betonen, dass keineswegs nur wir Eltern von diesem Unrecht betroffen sind. Es sind alle Verwandte betroffen: Opas, die Oma, die Tanten und Onkel, die Nichten und Neffen… Und unserem Kind wurde die gesamte Familie genommen und durch das Vorgehen aller Fallbeteiligten dafür gesorgt, dass die emotionalen Hürden für eine Kontaktaufnahme mit der leiblichen Familie sehr hoch sind. Um mit uns in Kontakt zu treten, müsste es offenkundig gegen den Willen seiner Adoptivfamilie nach einer langen Zeit des Schweigens gegenüber der leiblichen Familie einen Weg zurück zu uns finden.

Wir müssen damit rechnen, dass unserem Kind geraten wird, niemals wieder mit uns auch nur den geringsten Kontakt aufzunehmen. Es bleibt uns bei aller Sorge um unsere Tochter zu hoffen, dass sie eines Tages aller Entfremdungsbemühungen zum Trotz auf uns zukommt und dass sie auf ihrem Lebensweg gut auf sich aufpasst.

Wir wünschen ihr alles Glück der Welt und bleiben dabei: wir sind jederzeit da, unsere Tür steht offen!

Ausgetauschte Eltern

In der Schwangerschaft hörte ich und las ich, wie unendlich wichtig die Liebe der Eltern für ein Kind ist. Elternliebe hat ihre eigene Magie, sie ist einfach da oder wenn sie nicht gleich da ist, wächst sie innerhalb weniger Tage. Es heißt, die Elternliebe sei der Grundstein für ein künftig positives Selbstbild des Kindes.

Auch wir lieben unser Kind sehr. Unsere Tochter gehört zu den Menschen, die von sich sagen können, dass sie Wunschkinder sind.

Während eines Krampfanfalles unserer Tochter wurden wir im Krankenhaus vor die Tür geschickt und lauter Ärzte und Schwestern haben unser Kind behandelt. Eltern, deren Kind in einer schweren gesundheitlichen Krise war oder ist, kennen das Gefühl, das wir hatten. Wir dachten: gleich holen sie uns und sagen, dass unserem Kind nicht mehr geholfen werden konnte… Diese Angst und die Dankbarkeit, als man uns in den Raum zurückholte und unsere Kleine lebte – diese Gefühle unterscheiden sich in nichts von denen anderer Eltern, deren Kind schwerkrank ist.

Im Krankenhaus hatte ich meine Tochter auf dem Arm und sie bekam einen Krampfanfall. Eine Putzfrau drückte für mich den Schwesternknopf, eine Ärztin und ein paar Schwestern kamen und sahen einfach zu, wie mein Mädchen sich quälte. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor und ich fragte sie, warum sie nichts tun und nur zuschauen. Diese Hilflosigkeit, die ich da empfand, hätten andere liebende Mütter auch gespürt…

Aber wenn Eltern das Sorgerecht verlieren, verlieren sie auch den Status der „normalfühlenden“ Eltern. Wer der Kindesmisshandlung bezichtigt wird, dem traut man nicht zu, liebevolle Mutter und liebevoller Vater sein zu können. Deshalb schadet es auch nichts, wenn diese Eltern fortan nichts mehr über ihr Kind erfahren!

Stell Dir vor, Du bist Mutter und weißt nicht, wieviel Dein Kind wiegt, wie groß es ist, wieviel es isst, welche Einschlafrituale es gernhat, woran es Spaß hat…

Stell Dir vor, Du hast berechtigte Angst, dass Dein Kind eine bislang nicht diagnostizierte Krankheit hat und keiner beeilt sich, das Kind zu untersuchen.

Wieso auch: das Kind ist von seinen Eltern weggenommen, das reicht doch zur Sicherung des Kindes vollkommen aus.

Was, wenn Du ahnst, dass eine anstehende Behandlung Deinem Kind regelrecht gefährlich werden kann. MIT Sorgerecht könntest Du sie verhindern oder Dich erkundigen, ob es Behandlungsalternativen gibt. OHNE Sorgerecht bleibt Dir nur Hoffen und Beten!

Unser Kind ist in einer Pflegefamilie und wir wissen nicht, ob es zu uns oder zu anderen Verwandten darf. Wie geht es für das Kind weiter?

Was wird man, falls unser Kind woanders groß wird, über uns sagen? Würde unser Kind die Wahrheit über sich und uns erfahren? Wird man unserer Tochter sagen, sie sei weder gewollt noch geliebt von uns und deshalb nicht bei uns? Oder wird man ihr ehrlicherweise sagen, dass sie ein Wunschkind ist und dass wir ihr nie etwas angetan haben? Wird man sie wissen lassen, dass wir sie lieben und vermissen?

Du wirst nicht glauben, mit welchen simplen Kleinigkeiten es anfängt: wir können unserem Kind keine Bekleidung kaufen, weil die eigene Bekleidung nicht mit der der Pflegefamilie durcheinandergeraten soll. Spielzeug können wir auch nicht in dem Umfang schenken, weil wir uns vorstellen können, dass eine Pflegefamilie am Ende auch nicht erfreut ist, wenn das Kind bei einem möglichen Auszug einen Möbelwagen braucht… Und dann bist Du in einem Geschäft und siehst wunderschöne Bekleidung, die Deinem Kind wunderbar stehen würde und Du kannst diese Bekleidung nicht kaufen! Jede andere Mama würde, wenn das Geld ausreicht ab und an mal einfach spontan etwas Neues zum Anziehen oder Spielen kaufen.

Unser Kind hat ein paar Dinge, die wir ins Krankenhaus brachten mit in die Pflegefamilie genommen, aber woher sollen wir wissen, ob sie ihr dort auch zugänglich gemacht werden? Einer dieser Gegenstände ist ein extragroßes Persertuch. Bei der Einlieferung wollte ich meiner Kleinen etwas dalassen, das sie an Mama und Papa erinnert. Dieses Tuch hat unser Kind bis in die OP-Schleuse mitbekommen und auch beim Aufwachen hatte man sie damit zugedeckt. Dann haben wir ihr ein Stoffherz gebracht, das auch am Bettchen in der Geburtsklinik befestigt war. Diese beiden Dinge sind Talismane, die sie begleiten und schützen sollen. Ist sie von ihnen umgeben?

Alle Eltern sind stolz darauf, wie sich ihr Kind entwickelt und die Ärzte sind bemüht, die Eltern auch positiv zu stützen. Für unser Kind und uns gelten andere Gesetze: Unsere Tochter hat ein sehr ehrgeiziges, fröhliches Wesen. Stillstand scheint sie nicht zu erdulden! Obwohl die Ärzte in unserem Fall immer betonen, dass unser Kind wohl eher schwer geistig behindert wird, entwickelt sie sich hervorragend. Ständig untersuchen sie unser Kind auf irgendwelche Nebensächlichkeiten – nur nach dem Wichtigen schauen sie nicht. Man untersucht nicht allein um zu sehen, ob der Gesundheitszustand gleichbleibend gut ist, sondern man untersucht, ob da nicht doch „Defekte“ sind.

Wir haben uns vorgenommen, uns über alles zu freuen, was unser Kind wider Erwarten DOCH kann und wir wollen unser Kind nicht damit unter Druck setzen, indem wir Erwartungen an unser Kind stellen. Uns ist daran gelegen, dass unser Kind positiv bestärkt wird, damit es Freude daran hat, die Welt zu entdecken und sich zu entwickeln. Warum freuen sich die Ärzte und Jugendamtsmitarbeiter nicht einfach gemeinsam mit uns darüber, dass unsere Kleine schon so viel gelernt und erreicht hat?

Auch in Bezug auf das Verhalten von Kindern in Pflegefamilien finde ich auffällig, dass die Kinder scheinbar regelrecht fehlinterpretiert werden. Andere Kinder dürfen bei unangenehmen Untersuchungen weinen, unser Kind NICHT. Wagt es, bei einer Untersuchung zu weinen, bei der wir anwesend sind, wird behauptet: am Weinen sind wir schuld.

Unser Kind verhält sich absolut normal, aber das Normale will man nicht sehen. Was, wenn unser Kind irgendwann denken kann und mitbekommt, wie sein absolut normales Verhalten ständig nur mit der „Defizitbrille“ gesehen wird. Wie lange soll ein Menschenkind seelisch damit umgehen, dass man es nie so versteht, wie es selbst verstanden werden WILL?

Jede Sekunde denken wir an unser kleines Mädchen und wir möchten gern einfach das sein, was wir vor dem Tag X waren: einfach Eltern, die ihr Kind lieben und für es sorgen wollen.

Liebe unbekannte Mutter, lieber unbekannter Vater,

unsere Elternliebe unterscheidet sich in nichts von Eurer Elternliebe. Vielleicht unterscheidet sie sich ein wenig: unsere Elternliebe ist von Sehnsucht geprägt, aber unsere Elternliebe ist für unser Kind genauso wichtig, wie die Eure für Euer Kind.

Die Tatsache, dass wir zurzeit kein Sorgerecht haben, entbindet uns nicht von unserer inneren Einstellung, auch weiterhin Eltern für unser Kind sein zu wollen. Wir weigern uns, auf die Zuschauerbank verbannt zuzusehen, wie einfach so mit unserem Kind umgesprungen wird.

Teilweise wird uns ja sogar der Zugang zur „Zuschauerbank“ verweigert. Per Gesetz brauchen leibliche Eltern nach Sorgerechtsentzug nichts mehr über ihr Kind erfahren. Naja, wenn Dein Kind sterben würde, würde man wohl so „nett“ sein, es Dir zu sagen, aber man muss es Dir nicht sofort sagen…

Unserem Kind wird eine große Anzahl von Menschen vorenthalten, die es sehr lieben. Ist das gerecht? Hat ein Kind nicht das Recht, so viele Menschen wie möglich um sich zu haben, die es aufrichtig lieben?

Haben wir als Eltern nach Sorgerechtsentzug das Recht auf Menschlichkeit verloren? Ist es in Ordnung, wenn Eltern, die um das Wohlergehen ihrer Kinder besorgt sind, nicht ernst genommen werden?

Warum nennt man nicht den „Sorgerechtsentzug“ gleich „Elternschaftsentzug“? Wird doch den Eltern das entzogen, was sie als Eltern ausmacht – das Recht auf Fürsorge!

Wir können nur raten: seid dankbar dafür, dass Ihr eine Familie habt und vergesst niemals, dass es nicht selbstverständlich ist, dass Ihr Euere Kinder habt!

 

Brief an unser Kind von 2020

Hallo, unser aller Sonnenschein,

wenn Du dies liest, hast Du sicher schon gelesen, was mit uns dreien passiert ist. Du wirst Dich vielleicht fragen, warum wir es Dir nicht persönlich berichtet haben.

Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach. Wie Du sehen konntest, sind wir vor jedes nur mögliche Gericht in Deutschland und danach auch noch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegangen, weil man uns zu Unrecht verdächtigt hat, Dir weh getan zu haben. Was auch immer wir unternommen haben: wir sind vor jedem Gericht gescheitert.

Du wurdest zu einer Pflegefamilie gebracht und das Jugendamt setzte alles daran, dass wir uns unter möglichst widrigen Umständen sehen. Eigentlich wollte man, dass wir uns gar nicht mehr sehen, und irgendwann stellten sie unsere Treffen mit Dir ganz ein. Es brauchte ein weiteres Gerichtsverfahren und fast ein Jahr, in dem wir uns gar nicht sehen konnten (außer einmal mit dem Gutachter zusammen). Ab dann sahen wir uns einmal im Monat im Jugendamt und die Pflegemutter war immer dabei. Bis heute sehen wir uns einmal – wenn nichts dazwischen kommt – im Jugendamt mit der Pflegemutter.

Wir haben erlebt, wie einfach es dem Jugendamt fällt, uns einfach zu verbieten, Dich zu sehen. Die Leute dort glauben uns nicht, dass wir Dir nichts angetan haben und weil wir sagen, dass wir unschuldig sind, halten sie uns für uneinsichtig. Sie möchten auch nicht, dass wir Dir sagen, dass sich die Ärzte geirrt haben und Du wegen einer Fehldiagnose aus Deiner Familie genommen wurdest. Sie haben uns sogar verboten, uns von dir Papa und Mama nennen zu lassen.

Wir müssen befürchten, dass sie uns sofort verbieten, Dich zu sehen, sobald wir nicht das sagen, was sie von uns hören wollen.

Sollte das passieren: wer wird Dir dann die Wahrheit erzählen?

Wir haben diese Seiten geschrieben, weil wir hoffen, Hilfe zu finden, und weil wir die Öffentlichkeit darüber informieren möchten, dass das Jugendamt in Einzelfällen schlimme Fehler macht und durch kein Gericht zu stoppen ist. Du sollst die Möglichkeit haben, zu erfahren, was Dir und uns widerfahren ist, falls Du es nicht durch uns selbst erfahren kannst.

Es wird Dich erschüttern, was Du da lesen musst, und es kann sein, dass Du Dich fragst, warum nicht zumindest Jugendamt oder Pflegeeltern Dir das alles gesagt haben. Geh einfach mal davon aus, dass sie es nicht böse Dir gegenüber gemeint haben. Offenbar dachten sie, sie müssten so handeln. Generell muss ein Jugendamt ja auch was unternehmen, wenn ihm gemeldet wird, einem Kind gehe es zuhause nicht gut. Aber ein Jugendamt muss auch selbst prüfen, ob die Anschuldigung stimmt, und ob man einem Kind wirklich seine ganze Familie nehmen muss. Und es muss prüfen, ob ein Kind nicht eines Tages zu seiner Familie zurückkann. Selbst dann, wenn es meint, ein Kind könne nicht mehr zurück zu den Eltern, muss es darauf achten, dass das Kind und seine Eltern ihre Bindung zueinander pflegen können.

Wenn ein Jugendamt bemerkt, dass es sich geirrt hat, kann es nicht einfach so weiter machen, sondern es muss zusehen, dass Eltern und Kind wieder zusammenkommen oder zumindest in gutem Kontakt stehen und die Eltern sich – egal ob zuhause oder in der Fremde – um ihr Kind kümmern können.

Die Leute im Jugendamt kennen uns nun schon all die Jahre. Wir waren immer gesprächsbereit und hätten auch Hilfen angenommen, aber uns wurde nichts angeboten. Uns wurde vorgeworfen, dass wir an die Öffentlichkeit gegangen sind. Aber sag selbst: Kannst Du Dir Eltern vorstellen, die einfach zuschauen, wie ihr Kind in der Fremde untergebracht wird und denen man jede Möglichkeit nimmt, sich um ihr Kind zu kümmern?

Wir haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um zu erreichen, dass wir für Dich da sein können und Dich umsorgen können. Wenn man vor Gericht uns und unseren Zeugen nicht zuhört, dann bleibt doch nur noch, an die Öffentlichkeit zu gehen. Genau das haben wir getan.

Vielleicht bist Du besorgt, wie Freunde von Dir denken, wenn die auf diese Seiten stoßen. Gute Freunde werden zu Dir halten und für Dich da sein, erst recht, wenn sie diese Tragödie gelesen haben!

Du wächst in der Pflegefamilie auf und um Dich herum sind Menschen, die sich Deine Verwandten nennen. Zwar ist es für Dich gut, dass Du von allen wie ein Familienmitglied angenommen bist. Aber es werden Dir Menschen vorenthalten, die Dich von Herzen lieben und die tatsächlich mit Dir verwandt sind, die Dich aber – wenn überhaupt – nur als Baby gesehen haben. Du hast sie nicht mehr gesehen, weil nur noch uns gestattet war, Dich zu sehen.

Wir haben Dich seit Anfang an von ganzem Herzen lieb und möchten Dir zur Seite stehen. Und wir möchten, dass Du das weißt.

Auch wenn das Leben Dir manchmal übel mitspielt, bleib ganz bei Dir und folge Deinem Herzen!

Dein Papa und Deine Mama

Brief an unser Kind von 2007

Hallo unser aller Sonnenschein,

die Tage verstreichen und Du bist schon ziemlich lange weg. Wir vermissen Dich sehr und denken jede Sekunde an Dich!

Dabei haben wir uns so auf ein gemeinsames Leben mit Dir gefreut… Du bist unser Wunschkind. Ja wirklich: wir haben in der Tat “geübt”, um Dich zu bekommen. Wir mussten auch gar nicht lange üben :-).

Am 21.12.2004 haben wir erfahren, dass Du auf dem Weg bist und wir haben uns beide sehr gefreut. Dein Kinderzimmer haben wir aufgebaut, als Mama etwa in der 20. Schwangerschaftswoche war.

Wir wollten uns früh über Deinen Namen Gedanken machen. Dein Name sollte etwas bedeuten. Aber dazu mussten wir natürlich wissen, ob Du ein Mädel bist oder ein Junge. Du hast bis zum Schluss für Dich behalten, welches Geschlecht Du haben wirst… Die Ärzte tippten aber alle richtig, als sie sagten: “Wohl eher ein Mädchen…”

Also haben wir eben für beide Geschlechter nachgedacht. Wenn Du ein Junge geworden währest, hättest Du wohl Raphael René geheißen. Wenn Du ein Mädchen würdest, solltest Du auf jeden Fall heißen wie die beste Freundin des Papas aus Kindertagen, das hat Papa sich gewünscht. Da Mama auch ein wenig mitmischen wollte bei der Wahl des Namens, bekamst Du einen zweiten Namen. Da Mama und Papa sich in der Jugend sehr für Japan interessierten, sollte es ein japanischer Name sein.

Ziemlich am Ende der Schwangerschaft hat Papa gemeint: “Komm da raus, auf Dich wartet hier ein ganzes Spielzimmer!”

Wir waren beide sehr gespannt auf das kleine Menschlein, das wir erwarteten, wollten ganz schnell wissen, wie Du aussiehst, wie Du bist und was Du erleben und denken wirst.

Du kamst per Kaiserschnitt auf die Welt, Papa war auch dabei und es war ein wunderbarer Moment, das erste Mal Deine Stimme zu hören. Papa hat Dich in den Arm gelegt bekommen und er hat Dich voller Stolz und Freude angeschaut. Danach legten sie Dich auf Mamas Bauch und wir sangen gemeinsam für Dich “Happy Birthday to you”.

Als Du auf die Welt kamst, hattest Du ganz dunkle Haare und eine schicke Kurzhaarfrisur.

Als Du geboren wurdest, lebten wir in einem Haus, das großartig gelegen war: ein Kindergarten genau gegenüber, ein kleiner Spielplatz gleich um die Ecke und auch eine Schule in der Nähe… alles da! In dem Kindergarten gegenüber wollten wir Dich anmelden, wenn Du ein halbes Jahr alt bist. Nun bist Du weit über ein Jahr alt und wir können Dich dort nicht anmelden…

Mama wollte auch mit Dir in die Krabbelgruppe, die auch gegenüber unserer Wohnung ist. Wir haben uns extra erkundigt bei der Gemeinde und erfahren, dass es zwei Krabbelgruppen gäbe, von denen eine mehr musikalisch orientiert sei. Zu dieser Gruppe wollte Mama mit Dir gehen, weil Musik Mama sehr wichtig ist.

Du warst von Anfang an ein sehr freundliches, ausgeglichenes Kind. In der Tat – beim Einkaufen haben sämtliche Leute eine “Vollbremsung” vor Deinem Kinderwagen gemacht und Dich bewundert. Bei Deinen Verwandten bist Du sehr beliebt wegen Deiner herzerwärmenden Art.

Zwei Tage nach Deiner ersten Impfung wurdest Du sehr krank, sodass wir Dich ins Krankenhaus brachten. Es ging Dir wirklich sehr schlecht und wir hatten große Angst um Dich und wir haben zu Gott gebetet, dass er auf Dich aufpasst, während Du operiert wurdest. Wir waren sooo dankbar, als Du aus dem Operationssaal zurückkamst und lebtest!!! Und wir waren so unendlich stolz darauf, wie Du ganz ohne zusätzlichen Sauerstoff auskamst, einen Tag später schon auf die normale Station konntest und dass Du einige Stunden nach der OP schon aus dem Fläschchen Muttermilch getrunken hast.

Bevor Du in den OP gebracht wurdest, hat Mama mit Dir einen Deal gemacht: Du solltest zurückkommen und Mama hat in der Zeit Muttermilch gepumpt. Im Ernst, Mama hat zu Dir gesagt: “Mama besorgt Muttermilch, aber Du musst sie abholen.” Und Du hast die OP überstanden und hast die Muttermilch “abgeholt”, die Mama während der OP für Dich gepumpt hat.

Wir wissen nicht, was Dich so krank hat werden lassen. Auf jeden Fall haben wir Dir nie etwas angetan, das Krankenhaus behauptet das Gegenteil. Sie sagten, dass die Impfung nichts mit Deiner Erkrankung zu tun hätte (sehen wir anders!) Krankheiten wie z. B. Glasknochen schlossen sie aus, ohne Dich darauf zu untersuchen, wir hingegen haben noch immer Angst, dass Du vielleicht eine Krankheit haben könntest, die bewirkt, dass Dir schneller etwas bricht als anderen Kindern oder dass Du an einer bislang unerkannten Krankheit leiden könntest, die Dich jederzeit wieder so krank werden lassen kann.

Oma und Opa haben angeboten, Dich solange bei sich aufzunehmen, bis Du zurück zu uns kannst. Leider will man nicht, dass Du dorthin ziehst (so entging Dir ein echtes Spielparadies).

Seit dem 15.11.2005 lebst Du nun bei einer Pflegefamilie. Gott sei Dank hast Du Dich gut entwickelt. Inzwischen bist Du eine Jugendliche und kannst Deiner Mama über den Kopf gucken).

Noch bevor Du von uns weggenommen wurdest, haben wir bereits angefangen, um Dich zu kämpfen. Wir wollen, dass Du mit uns zusammen sein kannst und wenn Du möchtest auch zu uns zurückkehren kannst, weil wir Dich sehr lieben und für Dich da sein wollen!

Ganz große Angst haben wir, dass Dir in unserer Abwesenheit etwas zustößt und wir nicht bei Dir sein können. Auch beschäftigt uns, was Andere Dir erzählen werden.

Wird man Dir sagen, wie sehr wir Dich lieben? Wirst Du erfahren, dass Du ein Wunschkind bist? Wird man Dir berichten, dass wir uns über alles und Jedes Gedanken gemacht haben, weil wir wollten, dass es Dir rundum gut geht?

Diese Homepage erzählt Deine und unsere Geschichte. Andere Familien, denen es wie uns dreien ergangen ist, sollen wissen, dass sie nicht allein mit ihrem Schicksal sind. Sie sollen sich mit uns austauschen können. Außerdem sollen die Menschen erfahren, dass es Kinder gibt, denen die Eltern weggenommen werden, weil man die Eltern zu Unrecht verdächtigt, ihrem Kind weh getan zu haben. Und natürlich existiert die Homepage auch für Dich, damit Du erfährst, dass Du zu Unrecht von Deiner Familie getrennt wurdest und dass wir um Dich kämpfen.

Eine Gutachterin meinte, es täte Dir nicht gut, wenn Du neben dem, was Dir von Jugendamt und Pflegeeltern über uns gesagt wird, noch lesen könntest, was wir schreiben. Schlimmstenfalls kann es sein, dass Du uns nicht mehr sehen kannst, und dass man uns keine Gelegenheit geben wird, selbst mit Dir zu reden. Würden wir mit Dir in den kurzen Umgängen darüber reden, könnte es sein, dass wir drei uns wieder eine lange Zeit nicht sehen dürften.

Du sollst nicht allein darauf angewiesen sein zu glauben, was Menschen Dir sagen, die verhindert haben, dass Du nachhause zurückkehren konntest. Du sollst wissen, was uns dreien passiert ist, weil es einfach dein gutes Recht ist.

Wir werden weiterkämpfen und glauben ganz fest daran, dass Du eines Tages mit Deiner wirklichen Familie zusammen sein kannst – spätestens, wenn Du erwachsen bist.

Vielleicht erinnerst Du Dich daran, was Mama Dir über den Himmel gesagt hat:

Wo auch immer Du bist, schau in den Himmel! Egal, was kommt und ist, eines haben wir immer gemeinsam. Du siehst, wenn Du zum Himmel siehst, dasselbe, was auch Mama und Papa sehen. Diese Gemeinsamkeit kann uns keiner nehmen – vergiss das nie…

Wir lieben Dich von ganzem Herzen

Dein Papa und Deine Mama