Brief an unser Kind von 2020

Hallo, unser aller Sonnenschein,

wenn Du dies liest, hast Du sicher schon gelesen, was mit uns dreien passiert ist. Du wirst Dich vielleicht fragen, warum wir es Dir nicht persönlich berichtet haben.

Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach. Wie Du sehen konntest, sind wir vor jedes nur mögliche Gericht in Deutschland und danach auch noch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegangen, weil man uns zu Unrecht verdächtigt hat, Dir weh getan zu haben. Was auch immer wir unternommen haben: wir sind vor jedem Gericht gescheitert.

Du wurdest zu einer Pflegefamilie gebracht und das Jugendamt setzte alles daran, dass wir uns unter möglichst widrigen Umständen sehen. Eigentlich wollte man, dass wir uns gar nicht mehr sehen, und irgendwann stellten sie unsere Treffen mit Dir ganz ein. Es brauchte ein weiteres Gerichtsverfahren und fast ein Jahr, in dem wir uns gar nicht sehen konnten (außer einmal mit dem Gutachter zusammen). Ab dann sahen wir uns einmal im Monat im Jugendamt und die Pflegemutter war immer dabei. Bis heute sehen wir uns einmal – wenn nichts dazwischen kommt – im Jugendamt mit der Pflegemutter.

Wir haben erlebt, wie einfach es dem Jugendamt fällt, uns einfach zu verbieten, Dich zu sehen. Die Leute dort glauben uns nicht, dass wir Dir nichts angetan haben und weil wir sagen, dass wir unschuldig sind, halten sie uns für uneinsichtig. Sie möchten auch nicht, dass wir Dir sagen, dass sich die Ärzte geirrt haben und Du wegen einer Fehldiagnose aus Deiner Familie genommen wurdest. Sie haben uns sogar verboten, uns von dir Papa und Mama nennen zu lassen.

Wir müssen befürchten, dass sie uns sofort verbieten, Dich zu sehen, sobald wir nicht das sagen, was sie von uns hören wollen.

Sollte das passieren: wer wird Dir dann die Wahrheit erzählen?

Wir haben diese Seiten geschrieben, weil wir hoffen, Hilfe zu finden, und weil wir die Öffentlichkeit darüber informieren möchten, dass das Jugendamt in Einzelfällen schlimme Fehler macht und durch kein Gericht zu stoppen ist. Du sollst die Möglichkeit haben, zu erfahren, was Dir und uns widerfahren ist, falls Du es nicht durch uns selbst erfahren kannst.

Es wird Dich erschüttern, was Du da lesen musst, und es kann sein, dass Du Dich fragst, warum nicht zumindest Jugendamt oder Pflegeeltern Dir das alles gesagt haben. Geh einfach mal davon aus, dass sie es nicht böse Dir gegenüber gemeint haben. Offenbar dachten sie, sie müssten so handeln. Generell muss ein Jugendamt ja auch was unternehmen, wenn ihm gemeldet wird, einem Kind gehe es zuhause nicht gut. Aber ein Jugendamt muss auch selbst prüfen, ob die Anschuldigung stimmt, und ob man einem Kind wirklich seine ganze Familie nehmen muss. Und es muss prüfen, ob ein Kind nicht eines Tages zu seiner Familie zurückkann. Selbst dann, wenn es meint, ein Kind könne nicht mehr zurück zu den Eltern, muss es darauf achten, dass das Kind und seine Eltern ihre Bindung zueinander pflegen können.

Wenn ein Jugendamt bemerkt, dass es sich geirrt hat, kann es nicht einfach so weiter machen, sondern es muss zusehen, dass Eltern und Kind wieder zusammenkommen oder zumindest in gutem Kontakt stehen und die Eltern sich – egal ob zuhause oder in der Fremde – um ihr Kind kümmern können.

Die Leute im Jugendamt kennen uns nun schon all die Jahre. Wir waren immer gesprächsbereit und hätten auch Hilfen angenommen, aber uns wurde nichts angeboten. Uns wurde vorgeworfen, dass wir an die Öffentlichkeit gegangen sind. Aber sag selbst: Kannst Du Dir Eltern vorstellen, die einfach zuschauen, wie ihr Kind in der Fremde untergebracht wird und denen man jede Möglichkeit nimmt, sich um ihr Kind zu kümmern?

Wir haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um zu erreichen, dass wir für Dich da sein können und Dich umsorgen können. Wenn man vor Gericht uns und unseren Zeugen nicht zuhört, dann bleibt doch nur noch, an die Öffentlichkeit zu gehen. Genau das haben wir getan.

Vielleicht bist Du besorgt, wie Freunde von Dir denken, wenn die auf diese Seiten stoßen. Gute Freunde werden zu Dir halten und für Dich da sein, erst recht, wenn sie diese Tragödie gelesen haben!

Du wächst in der Pflegefamilie auf und um Dich herum sind Menschen, die sich Deine Verwandten nennen. Zwar ist es für Dich gut, dass Du von allen wie ein Familienmitglied angenommen bist. Aber es werden Dir Menschen vorenthalten, die Dich von Herzen lieben und die tatsächlich mit Dir verwandt sind, die Dich aber – wenn überhaupt – nur als Baby gesehen haben. Du hast sie nicht mehr gesehen, weil nur noch uns gestattet war, Dich zu sehen.

Wir haben Dich seit Anfang an von ganzem Herzen lieb und möchten Dir zur Seite stehen. Und wir möchten, dass Du das weißt.

Auch wenn das Leben Dir manchmal übel mitspielt, bleib ganz bei Dir und folge Deinem Herzen!

Dein Papa und Deine Mama