1. Instanz Familiengericht

Das Gericht gibt bekannt, dass einer der Gutachter bald schriftlich zusammenfassen wird, wie er die Gehirnbefunde von M. bewertet. In einem Telefonat mit dem Gericht gibt er bereits an, dass der Venenabriss in M.s Kopf ausschließlich traumatischen Ursprungs sein kann – andere Ursachen schließe er aus. Dass scheinbar auch unter Babyskorbut Brückenvenen einreißen könnten, erwähnt er nicht. Mittlerweile liegt auch das angekündigte schriftliche Gutachten vor.

In der Sendung “Brisant” von ARD wird unser Fall das erste Mal ausgestrahlt. (08.03.2006)

Am 09.03.06 fiel der Umgang aus. Dies ist deshalb erwähnenswert, weil der Grund für den ersatzlosen Ausfall dieses Umganges ein sehr “interessanter” Grund ist: eine Betriebsversammlung verhinderte die Jugendamtsmitarbeiterin, den Umgang zu bewachen. Verlegen konnte sie den Umgang nicht. Darauf folgte ein Streik des öffentlichen Dienstes, der in zwei aufeinander folgenden Wochen dafür sorgte, dass nur einer von zwei Umgängen die Woche stattfand.

Ferner kündigte das Jugendamt ohne Datumsnennung an, dass es nun bald ein Hilfeplangespräch geben werde, da die Bereitschaftspflege bald die Höchstdauer von sechs Monaten erreiche. Wir verstehen nicht, warum nicht schon im Januar die Dauerunterbringung bei den Großeltern eingeleitet wurde, zumal eine mögliche Rückführung von dort aus weit besser einleitbar ist!

Mit Schreiben vom 27.03.06 teilte uns die Sachbearbeiterin vom Jugendamt mit, dass die Bereitschaftspflegefamilie vom 01.04. – 11.04.06 Urlaub haben würde. In einer Beschwerde äußerten wir uns gegen die urlaubsbedingten Umgangsausfälle, worauf das Jugendamt lediglich in der Weise einging, dass sie uns mitteilten, dass in der Zeit auch keine Telefonkontakte stattfinden sollen (also vom 01.04. bis 13.04.06 absolut kein Kontakt zum Kind). Auch wurde uns nahegelegt, dass wir nicht vergessen sollen, wie viel Mühe man sich gebe, so wenig Umgänge wie möglich ausfallen zu lassen (Es ist M.s Recht und deren Pflicht, dass die Umgänge möglichst lückenlos stattfinden). Eine zweite Beschwerde seitens der Aktion Rechte für Kinder e. V., in der ebenfalls Umgangsermöglichung trotz Urlaubes gefordert wurde, wurde beantwortet mit dem Hinweis, dass der Urlaub abgestimmt war mit den Mitarbeitern des Jugendamtes.

Bereits am 23.03.06 stellte das Jugendamt einen Antrag auf Einschränkung des Umgangs auf einmal monatlich. Das Jugendamt führt die Notiz des Richters über das Telefonat mit einem der Gutachter an, der zu dem Ergebnis gekommen sei, M.s Läsion sei ausschließlich traumatisch (siehe oben). Aufgrund dieser Aussage des Gutachters könne das Jugendamt von einer Rückführung zu den Eltern nicht mehr ausgehen und müsse daher auch keine Bindungspflege zwischen Kind und Eltern mehr betreiben. M.s Entwicklung beschreiben sie als sehr positiv, berichten aber von den Umgängen, dass wir auf M. sehr überfordernd einwirken würden (interessiertes Fragen nach M.s Befinden, direktes Eingehen auf Unmutsäußerungen, “extremes Bespielen” des Kindes… führen sie an).

Diesen Antrag lehnte das Familiengericht ab.

Da die Bereitschaftspflege am 15.05.06 ein halbes Jahr besteht, und danach die Höchstdauer überschreitet, hat unsere Rechtsanwältin einen erneuten Antrag auf Übersiedlung M.s zu ihren Großeltern gestellt. Der Richter bat auch dieses Mal das Jugendamt und die Verfahrenspflegerin um Stellungnahme. (Das Konzept der Bereitschaftspflege ist von begrenzter Dauer und sollte 6 Monate nicht überschreiten.)

Wie zu erwarten äußerte sich die Verfahrenspflegerin. Sie beantragte, auch diesmal die Großeltern als Pflegepersonen (Vormund), sowie auch die Vormundschaft des Jugendamtes abzulehnen, das am Wohnort der Großeltern zuständig ist. Auch diesmal gab sie das Argument an, die Großeltern würden sich nicht ausreichend von den Kindeseltern abgrenzen.

Das Familiengericht lehnte die hilfsweise Pflegschaft bei den Großeltern (und auch die hilfsweise Vormundschaft des Jugendamtes, das für die Großeltern zuständig ist) ein zweites Mal ab.

Das Jugendamt bat einen Amtskollegen, eine Stellungnahme ans Gericht zu verfassen, was er auch am 31.03.06 tat. Bereits im ersten Absatz betonte er, dass er unser Kind nicht persönlich kennt. Trotzdem schreibt er, dass M. über Jahre hinweg in eine Dauerpflege sollte, solange die Mutter sich nicht ändere (sie sei zu Nähe fordernd, ließe ihrem Kind keinen Freiraum zur Exploration…). Wichtig zu wissen: er kannte weder M. persönlich, noch hat er je mit uns gesprochen. Auch hat er uns nie mit unserem Kind gemeinsam beobachtet. Seine Aussagen beziehen sich auf “Berichte” von Bereitschaftspflege und Jugendamt – also auf “Hören – Sagen”.

Den Großeltern als Pflegepersonen steht er skeptisch gegenüber. Sie würden nur dann in Frage kommen, wenn sie die Eltern – und vor allem die Kindesmutter – vom Kind abgrenzen. Ihnen müsse deutlich gemacht werden, dass sie als Pflegepersonen dann die primären Bezugspersonen seien. – Auch hier sei erwähnt: er kennt auch die Großeltern nicht.

Auch eine Herabsetzung des Umganges von nun zweimal die Woche auf zweimal oder einmal im Monat hält er für angemessen, obwohl er sich in seinen Ausführungen lediglich auf Aussagen von Pflegemutter und Jugendamtsmitarbeitern stützt, ohne Kind und Eltern zu kennen. Das Familiengericht hat noch nicht endgültig entschieden.

Anfang 04/06 traf das Hirngutachten ein. Dort wurde beschrieben, dass M. eine Septum-Pellucidum-Zyste hat, eine Balkendysgenesie und eine Schizenzephalie (vorgeburtliche Fehlbildungen des Gehirns). Dazu kommt eine mittelgradige Affektion der angelegten Siebbeinzellen, der Nasenhaupthöle und der Kiefernhöle.

Leider nennt dieser Gutachter diese Krankheitsbilder und Symptome zwar, erklärt aber nicht, was sie mit den Einblutungen und dem hohen Hirndruck zu tun haben können. Auch geht er nicht darauf ein, ob M. auf die Impfung reagiert haben könnte (hätte sie wegen der vorgeburtlichen Hirnfehlbildungen überhaupt geimpft werden dürfen?).

Schlimm daran ist, dass die Hirnfehlbildungen erst jetzt benannt wurden. Die Daten, aus denen dieser Gutachter seine Schlüsse zieht, sind dieselben, die die behandelnden Ärzte hatten (MRT 10.11.05). Wenn er diese Fehlbildungen sieht, stellt sich uns die Frage, warum sie nicht bereits am 10.11.05 gesehen (zur Notiz genommen?) wurden.

Hätten die behandelnden Ärzte diese Fehlbildungen bereits in seinen Bericht aufgenommen, hätten sie bereits im ersten Gutachten (11/05) mit einbezogen werden können.

Die Verfahrenspflegerin schlug dem Familiengericht vor, auf die Hautbiopsie wegen der Vermutung auf Glasknochenkrankheit zu verzichten. Die Hautstanzenentnahme sei zu risikoreich (Narkose, Krankenhausaufenthalt). Auch sei es an der Zeit, zu entscheiden, wie es dauerhaft mit M. weiter gehe, da die Bereitschaftspflege an ihre zeitliche Grenze gelangt. Die Hautbiopsie hätte erst 6 – 8 Monate später ein Ergebnis erbracht.

Da aufgrund von organisatorischen Schwierigkeiten die Hautstanze noch immer nicht genommen wurde (Beschluss hierzu am 29.11.05), sollte nun darauf verzichtet werden, meinte die Verfahrenspflegerin.

Bereits am 01.02.06 wiesen wir die Verfahrensbeteiligten darauf hin, dass eine genetische Untersuchung des Blutes unseres Kindes ebenso geeignet ist, herauszufinden, ob M. an der Glasknochenkrankheit leiden könnte. Diese Methode ist für M. nicht belastend (Blutentnahme) und das Ergebnis hätte man nach ca. 6 Wochen. Leider erinnerte sich niemand an unsere Bitte, auf diese Methode zurückzugreifen.

Das Familiengericht fragte bei den zuständigen Gutachtern, ob man am Röntgenbild erkennen könne, wie wahrscheinlich eine Glasknochenkrankheit ist und die Gutachterin wollte das Röntgenbild auch daraufhin überprüfen lassen. Wir erkundigten uns bei OI-Erfahrenen, und es gibt mehrere Gründe, weshalb eine Glasknochenkrankheit nicht am Röntgenbild erkennbar ist (Knochendichtemessung in diesem Alter nicht möglich, Knochenbau und Struktur können in diesem Alter noch normal aussehen…).

Nach Rücksprache mit dem Gutachter beschloss der Richter, auf die Glasknochenuntersuchung zu verzichten, und nach Eingang des Gesamtgutachtens den Termin für die Gerichtsverhandlung anzusetzen.

Mittlerweile ist ein Gutachten über M.s Frakturen eingegangen, in dem steht, dass die Frakturen teilweise nicht typisch seien für zufällige Ereignisse. Von den am 25.10.05 festgestellten Frakturen ist im Röntgenbild vom 14.04.06 nur an einer Stelle etwas zu sehen. Alle anderen Bruchstellen seien ausgeheilt oder bis zur Unkenntlichkeit geglättet. Neue Frakturen seien nicht da und eine generalisierte Knochenkrankheit wie Osteoporose oder Rachitis sei auszuschließen, weil Knochenheilung und Knochenstruktur in Ordnung seien. In der Altersbestimmung seien einige Frakturen 2 – 3 Wochen alt, andere 3 – 6 Wochen alt und dann gibt es auch Frakturen, die älter sind als 6 Wochen.

Der Gutachter beschreibt nicht, was mit dem Teil der Frakturen ist, die für Kindesmisshandlung nicht typisch sind, dann datiert er Frakturen im Mittel so, dass Geburtsverletzungen nicht auszuschließen sind (älter als 6 Wochen bei einem 10 Wochen altem Säugling) und er erklärt allein anhand eines Röntgenbildes, dass es keine generalisierte Knochenerkrankung geben könne (obwohl das Knochenbild in diesem Alter noch normal sein kann). Als Beispiele führt er Rachitis (statt Skorbut) und Osteoporose (statt OI) an, er vermeidet die direkte Ansprache der Vermutungen, die wir anführten.

Inzwischen hat das Jugendamt mit einem von uns empfohlenen Facharzt für OI gesprochen und auf sein Anraten hin den Richter gebeten, eine genetische Blutuntersuchung auf Glasknochen zu machen. Er terminierte jedoch die Gerichtsverhandlung unter Verzicht auf die Abklärung einer Glasknochenkrankheit.

Über die gesamte Zeit der Fremdunterbringung wurde uns häufig berichtet, M. trinke wenig und nähme Breinahrung nicht gut an. Wir bräuchten uns zwar keine Sorgen machen, da M. dabei trotzdem gut gedeihe, aber man wolle sich mit M. bei Fachspezialisten für kindliche Entwicklung vorstellen. In diesem Zusammenhang erzählten wir, dass auch M.s Mutter bis ins zweite Lebensjahr hinein nicht richtig essen konnte. Man nimmt an, dass dies daher kommt, weil die Mutter als Baby eine Herzoperation bekam und in dieser Zeit über Sonde ernährt wurde.

Im Umgang vom 29.06.06 wurde uns nun mitgeteilt, dass M. Besorgnis erregend schlecht trinke, mittlerweile sogar zu leicht sei (10 1/2 Monate, 68 cm, 7000 g). Dies führe das Jugendamt und die Pflegemutter auf den Umstand zurück, dass M. zweimal die Woche Umgänge mit uns habe und diese würden M. so sehr stressen, dass sie vor allem nach den Umgängen sehr schlecht trinke. Die Pflegemutter teilte mit, dass man keinen organischen Grund dafür gefunden habe, warum M. schlecht trinke.

In diesem Zusammenhang erwähnten wir, dass es Hirnfehlbildungen gibt, die mit Minderwuchs einhergehen können. M. hat eine Balkendysgenesie, die mit einem Balkenmangel vergleichbar sein kann, und über den haben wir gelesen, er könne zu Minderwuchs führen.

Die Pflegemutter beteuerte, dass ihr diese Hirnfehlbildungen nicht bekannt waren, weil die Klinik, die M. seinerzeit behandelt hat in den Nachsorgeuntersuchungen nichts Derartiges ihr gegenüber erwähnt habe. Wir boten ihr an, ihr Infomaterial zu geben, aber sie wolle sich lieber an die Ärzte halten.

Am 23.06.06 äußert sich dann der Fachspezialist für kindliche Entwicklung. Ein essgestörtes Verhalten sei erkennbar. M. brauche absolute Ruhe um sich herum, trinke pro Mahlzeit zwischen 80 – 180 ml (Aussage der Pflegemutter uns gegenüber: bis zu 200 ml schaffe M. zu trinken), Brei nehme sie schlecht an, nur 2 – 3 Löffelchen (auf Mutters Schoss nahm sie 6 Löffel zu sich und auch die Pflegemutter berichtete noch vor einiger Zeit, M. esse durchaus 6 – 12 Löffelchen Brei). Stückige Nahrung verweigere M. ganz. In einer Videosequenz zeige sich die Pflegemutter kompetent. M. bekomme Beba 1-Nahrung (im Alter von 10 1/2 Monaten, krabbelt und robbt bereits ca. 1 1/2 Monate). Mundorganisch sei alles in Ordnung und auch Schluckstörungen habe unsere Tochter nicht.

Der Fachspezialist empfiehlt, M. noch mindestens 3 – 4 Monate bei der Bereitschaftspflegemutter zu belassen, damit sie nur von ihr mit Essen versorgt werde. Engmaschige Gewichtskontrollen, wie auch Blutuntersuchung solle stattfinden. Es sei für einen ruhigen Tagesrhythmus zu sorgen.

Das Jugendamt beantragt daher die Umgangsminderung von zweimal wöchentlich auf einmal monatlich.

Im Bericht des Fachspezialisten ist nicht vermerkt, dass M. Hirnfehlbildungen hat, also wird auch nicht erörtert, ob nicht sogar diese zu Essproblemen führen könnten (Balkenmangel-Kinder können damit Probleme haben, Balkenmangel dürfte ähnlich sein wie Balkendysgenesie, denn beides meint eine Minderentwicklung). Ferner geht der Fachspezialist nicht darauf ein, dass bereits M.s eigene Mutter zu Beginn (bis ins zweite Lebensjahr hinein) Schwierigkeiten mit dem Essen hatte (auch hier wurde die Ursache nicht gefunden), obwohl es der Pflegemutter bekannt war.

Wir haben den Eindruck, dass M.s Entwicklung nicht in Bezug gesetzt wurde mit Geburtsgewicht und Geburtsgröße. Auch sind wichtige Diagnosen nicht in die Überlegungen eingeflossen (Hirnfehlbildungen) und möglicherweise existente Parallelen im Essverhalten der Eltern im Säuglingsalter wurden den Fachspezialisten offenbar nicht bekannt.

Jetzt ist auch das zusammenfassende Gutachten eingegangen, das im Wesentlichen wiederholt, was in den beiden vorangegangenen Gutachten stand. In wie weit die Hirnfehlbildungen bei den Einblutungen und dem hohen Hirndruck (Hydrozephalus) im Kopf M.s eine Rolle spielen, könne gerichtsmedizinisch nicht abschließend geklärt werden.

Trotz aller Fragen, die die Gutachten aufwarfen und trotz aller Hinweise, dass es andere Erklärungen für M.s gesundheitliche Beeinträchtigungen gibt (z. B. Hirnfehlbildungen, Impfschadensverdacht), als sie das Kinderkrankenhaus in seinem verhängnisvollen Krankenbrief äußert, entschied das Familiengericht den dauerhaften Entzug der elterlichen Sorge und es ordnete an, dass die Vormundschaft auch weiterhin beim zuständigen Jugendamt bleiben soll.

M. soll nicht zu den Großeltern aus dem Grund, weil wir zu dominant und fordernd seien und es wurde auch nicht erörtert, unsere Erziehungsfähigkeit durch einen Psychologen begutachten zu lassen, obwohl wir dieses mehrmals vorschlugen.

Im Anschluss an die Gerichtsverhandlung wurde eine Umgangssperre von einer Woche verhängt. Nach Urteilsverkündung wurde der Umgang dann auf einmal im Monat herabgesetzt. Auch telefonische Kontakte zwischen uns und der Pflegeperson wurden auf einmal im Monat beschränkt. Diese äußerst drastische Umgangsminderung wird, wie bereits kurz vor Gerichtsverhandlung mit vom Fachspezialisten und JA geäußerter Ess-Störung M.s begründet.