Verwaltungsgerichtsverfahren

Ende 2008 wandten wir uns mit einer Unterlassungsklage gegen das für uns zuständige Jugendamt an das Verwaltungsgericht.

In seiner Erwiderung auf unsere Klageschrift überzeugte das Jugendamt das Verwaltungsgericht davon, es müsse sich unserer Klage überhaupt nicht annehmen, weil es in unserer Sache nicht zuständig sei. In der prompt folgenden Ablehnung unseres Antrags durch das Verwaltungsgericht wird tatsächlich ausgeführt, es handle sich lediglich um eine unzulässige Kritik der Kläger am Jugendamt als Amtsvormund.

Wir wandten uns ans Oberverwaltungsgericht, das uns Recht gab und entschied, dass das Verwaltungsgericht unseren Fall doch bearbeiten müsse. Im Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes vom 18.01.2010 steht u.a.: „Ferner haben die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 30. Januar 2009 ausdrücklich erklärt, dass sie sich  „gegen das Verhalten des Jugendamtes im Rahmen der Gewährung und Ausgestaltung von Jugendhilfemaßnahmen“ wenden, und insofern weiter ausgeführt, dass die Amtsvormünderin des Kindes selbst wenn sie wolle, nicht gegen das beklagte Jugendamt vorgehen könne, da sie dessen Mitarbeiterin sei. Hieraus wird auch deutlich, dass es vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts nicht um die Gestaltung des Umgangsrechts nach § 1684 BGB durch den Amtsvormund, sondern um die Gewährung und Ausgestaltung von Kinder- und Jugendhilfeleistungen durch die Beklagte, also um Ansprüche aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis geht, für das nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.“

Das Verwaltungsgericht musste unseren Fall wieder aufnehmen.

Das Jugendamt teilte nun dem Verwaltungsgericht mit, dass die § 26 – 36 SGB VIII auf uns nicht anwendbar seien, weil wir kein Sorgerecht haben. Weiterhin bleibt es unbeirrt bei der exotischen Auffassung, dass § 37 SGB VIII genau aus diesem Grunde auf uns nichtanzuwenden sei. Im Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 28.04.2010 begründete das Jugendamt zusätzlich seine abweisende Haltung mit der besserwisserischen Anmerkung: „Die Eltern haben sich bis heute nicht zur Verursachung der Misshandlung in der Familie geäußert und/oder eine reflektierende Haltung eingenommen.“

Diese Fachleute der Behörde blenden dabei einerseits völlig aus, dass es auch eine Zeit vor dem verhängnisvoll zustande gekommenen Sorgerechtsentzug gab, in der wir das Recht der elterlichen Sorge hatten. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass das Jugendamt keine Reflektion über ein nur unterstelltes Fehlverhalten fordern kann, das es de facto gar nicht gegeben hat. Und schließlich hat das Jugendamt selbst dann mit angeblich „widerspenstigen“ Eltern zusammenzuarbeiten, wenn diese aus ihrem natürlichen Rechtsempfinden heraus nicht bereit sein können, etwas zu sagen, was zwar nicht wahr ist, was man aber von ihnen hören will.

Trotz all unserer Einlassungen, durch die wir nachdrücklich und beweiskräftig auf die mehrfachen rechtsfehlerhaften Behauptungen, Entscheidungen und Maßnahmen des Jugendamtes aufmerksam gemacht haben, wies das Verwaltungsgericht erwartungsgemäß auch beim zweiten Anlauf unsere Klage ab.

In der Begründung wird formelhaft, wenn auch rechtsirrtümlich wiederholt, dass die von uns zur Klagebegründung angeführten Bestimmungen auf uns nicht anzuwenden seien, weil wir nun mal kein Sorgerecht hätten. Darüber hinaus handle es sich bei allen von uns auf Umsetzung eingeklagten Bestimmungen des KJHG lediglich um Soll-Vorschriften. Das bedeutet im Klartext und im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg tatsächlich: wenn in einem hochstrittigen Sorgerechtsverfahren überhaupt jemand im vitalen Interesse des Kindes Beschwerde gegen rechtsfehlerhafte Jugendhilfemaßnahmen einlegen müsste, dann könnten dies keinesfalls die leiblichen Eltern tun, sondern allenfalls der personensorgeberechtigte Vormund. Und der ist in aller Regel – das Jugendamt selbst. Auch in diesem Detail liegt ein gravierender Rechtsfehler, aber den nimmt schon längst kaum ein Familiengericht in Deutschland mehr wahr. Und überdies darf sich das Jugendamt völlig unüberprüft und sanktionsbefreit die bequemsten Methoden und Maßnahmen unabhängig vom Wortlaut der Bestimmungen des KJHG aussuchen. 

Selbstverständlich sind wir beim Oberverwaltungsgericht in Berufung gegangen. Leider auch das ohne Erfolg. Die Beschwerdeinstanz wies unseren Berufungsantrag ab und setzte noch eins drauf mit der Entscheidung, dass der Beschluss unanfechtbar sei.    

Das Oberverwaltungsgericht vertritt zwar die Auffassung, dass unsere Beschwerde zu Anteilen hätte nicht einfach abgewiesen werden dürfen, die Aufgabe des Verwaltungsgerichtes hätte allerdings lediglich in der Verweisung unserer Beschwerdepunkte an das Familiengericht bestanden. Ansonsten aber folgt auch das Beschwerdegericht dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes. Es geht sogar noch weiter, indem es behauptet, es seien keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache erkennbar.  Und zu allem Überfluss habe diese Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung. 

Auch auf dem Verwaltungsgerichtswege will in unserem Falle keine Instanz, kein Richter und keine Kammer das Tun und Unterlassen des Jugendamtes kritisch betrachten. Wir sind ratlos und stellen fassungslos fest, dass es Eltern ohne Sorgerecht und ihren Kindern unmöglich ist, sich gegen Rechtsfehler durch Jugendamt und Gerichte zu wehren.

Aber das zuständige Verwaltungsgericht (spätestens das Oberverwaltungsgericht) hätte etwas gegen das Vorgehen des Jugendamtes in unserem Fall unternehmen können und im Interesse der Rechtssicherheit auch müssen, denn im Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kommt die 3. Kammer am 08. April 2004 zugunsten der Beschwerdeführer Haase gegen Deutschland zu der Auffassung, dass sich nicht sorgeberechtigte Eltern durchaus als Beschwerdeführer rechtswirksam an die Gerichte wenden dürfen. Auch den Eltern Haase war in allen innerstaatlichen Instanzen bescheinigt worden, sie seien nach dem Sorgerechtsentzug nicht mehr berechtigt, für ihre Kinder zu klagen und Wiedergutmachung zu fordern. In seinem Urteil widersprach der EGMR dieser grob fehlerhaften innerdeutschen Rechtsauffassung. Die zielführende Wirkung dieses Urteilsspruchs hat aber – wenn überhaupt – offensichtlich nicht lange gehalten. Die Korrektur der fehlerhaften Rechtsauffassung wird selbst im schon damals betroffenen Bundesland Niedersachsen (wieder?) wie selbstverständlich ignoriert. Was soll man dazu noch sagen?

Im betreffenden EGMR-Urteil i.S. Haase gegen Deutschland, Az.   11057/02, heißt es unter der Nr. 120. Im Hinblick auf den immateriellen Schaden, der im Namen der Kinder geltend gemacht worden ist, weist der Gerichtshof darauf hin, dass es grundsätzlich möglich ist, dass eine Person, die nach innerstaatlichem Recht nicht berechtigt ist, einen anderen zu vertreten, unter bestimmten Voraussetzung vor dem Gerichtshof gleichwohl im Namen eines anderen auftritt (siehe sinngemäß Rechtssache Nielsen ./. Dänemark, Urteil vom 28. November 1988, Serie A Nr. 144, S. 21-22, Nr. 56-57). Bei einem das Kindeswohl betreffenden Konflikt zwischen einem leiblichen Elternteil und der von den Behörden als Vormund des Kindes bestellten Person besteht die Gefahr, dass einige der Belange des Kindes dem Gerichtshof nicht zur Kenntnis gelangen und diesem Kind der wirksame Schutz seiner Rechte nach der Konvention verwehrt bleibt. Auch wenn den Eltern elterliche Rechte verwehrt werden, und dies sogar die Ursache des dem Gerichtshof vorgelegten Rechtsstreits ist, genügt infolgedessen ihr Status, um ihnen die notwendige Befugnis zu verleihen, sich auch im Namen der Kinder an den Gerichtshof zu wenden, um deren Interessen zu wahren (siehe sinngemäß Rechtssache Scozzari und Giunta, a. a. O. Nr. 138).“

Wir sind und bleiben trotz des Sorgerechtsentzugs die Eltern unseres Kindes. Der Begriff des Sorgerechts hat einen eng umgrenzten juristischen Bedeutungshof. Dies reicht aber offenbar schon in vielen Jugendämtern und vor Gericht dazu aus, dieses Recht aberkennen zu können mit der Folge, dass damit auch die Elternschaft erlösche. Aus dem Wortlaut des Artikel 6 Grundgesetz, Satz 2, wird aber deutlich, dass das juristisch gefasste Sorgerecht eingebettet ist in das umfassendere „natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“. Diese Rechte und Pflichten würden wir gern wahrnehmen – nicht etwa, weil uns die Verfassung dies garantiert, sondern weil wir unser Kind lieben. Für diesen Grund unserer unabdingbaren elterlichen Sorge um unser Kind interessiert sich bis heute im Ernst weder ein Gericht noch das Jugendamt. Uns sind und bleiben die Hände gebunden und unser Kind wird als „neu beeltert“ behandelt.

Wir können es noch immer nicht wirklich fassen, aber es ist unser bitterer Alltag geworden:
* Wir sind wie schicksalhaft durch alle Maschen der in Deutschland geltenden Gesetze gefallen.                                                                             
* Man hat unser Recht auf Leben in der Familie ignoriert.                       
* Uns wird in Deutschland noch nicht einmal mehr das europaweit gültige Recht zugestanden, uns in unserem eigenen und im Interesse unseres Kindes zur Wehr zu setzen.                                                               

Welch eine Realität!